Sitzung der MSPD-Delegation in Stockholm, 12. Juni 1917

P/33c
BA Berlin, NL Hermann Müller, 186, 10-12. Mschr., 3 S.1

Sitzung vom 13. Juni 1917.2 nachm[ittags] 5 Uhr

   E b e r t führt zur
Denkschrift aus, dass Stauning wünsche, die alte Formel wegen der
Selbständigkeit Els.[aß]-Lothringens wieder aufzunehmen, d.h. dass
Els.[aß]-Lothringen ein selbständiger Bundesstaat werden soll. Das
sei allerdings bereits, wenn auch mit andern Worten, in unserer Erklärung
gesagt, sodass eine Aenderung eigentlich nicht notwendig erscheine. Doch
solle man trotzdem dem Wunsche nachkommen, indem gesagt wird: Fordert volle
Gleichberechtigung als Bundesstaat innerhalb des Deutschen
Reichs.3

   Bei "Wiederherstellung" wird gewünscht, eine Formel
aufzunehmen, die für Belgien eine finanzielle Beihilfe zum Wiederaufbau
seines Wirtschaftslebens vorsieht. Es wird einer Formel zugestimmt, die besagt,
dass die vom Krieg betroffenen Staaten, die nicht imstande sind, aus eigener
Kraft ein neues wirtschaftliches Leben einzurichten, dazu international eine
Beihilfe erhalten können. Es wurde folgende Fassung beschlossen: "Für
Staaten, die aus eigener Kraft ihr durch den Krieg zerstörtes
Wirtschaftsleben nicht wieder aufbauen können, kann internationale
finanzielle Hilfe aufgrund gegenseitiger Vereinbarungen vorgesehen werden".

   H u y s m a n s
  will 200 Exemplare des Memorandums herstellen lasssen. Wir
sind einverstanden, da das Memorandum sowieso veröffentlicht werden soll.
Im Pressebericht will das Komitee nur einen Auszug des Memorandums
geben.4

   E b e r t schlägt vor,
über die Verhandlungen ein kleines Stimmungsbild zu geben und dann den
Wortlaut des Memorandum anzuschliessen. Das Komitee könnte in der morgigen
Sitzung gefragt werden, was es gestrichen haben will. Wir müssen aber
darauf bestehen, dass wir das Memorandum in der deutschen Presse
vollständig veröffentlichen können. Wennn das Komitee nicht
alles veröffentlichen will, dann kann uns das von der vollständigen
Veröffentlichung in Deutschland nicht abhalten. Den Wortlaut wollen wir
Huysmans noch heute geben. Die Vorbemerkungen für das Memorandum werden
nach Müllers Entwurf festgestellt.

   Die Protokolle des Komitees lassen sich jetzt nicht so
nachprüfen, wie sie übergeben sind. Von Davids Rede wird sowieso der
Wortlaut festgestellt werden.5 Sie soll dann im Wortlaut dem
Protokoll beigefügt werden. Dann soll Müller hierbleiben und die
Protokolle mit Engberg vergleichen.6

   Wegen der Abreise weist E b e r t auf
die Ausführungen Troelstras in der heutigen Vormittagssitzung hin, nach
denen eine englische und eine französische Delegation in Aussicht stehen.
Vielleicht ist auch anzunehmen, dass die deutsche Minderheit bald kommen wird.
Auch das holländisch-skandinavische Komitee wünscht, dass mindestens
ein Teil der Delegierten hierbleibt. Er hält es für gut, wenn die
gesamte Delegation mindestens noch einige Tage hierbleibt.7

   L e g i e n schlägt
vor, drei Mitglieder hier zu belassen, das genüge. Dem wird
entgegengehalten, es sei wichtig, festzustellen, ob die Franzosen und
Engländer Verhandlungen mit uns ablehnen. Davon hängt schliesslich
das Schicksal der allgemeinen Konferenz ab. Es könnten weiter auch
Fühler aus Russland kommen.

   Es wird schliesslich beschlossen, vorläufig den Freitag
als Abreisetag in Aussicht zu nehmen, am Donnerstagabend aber nochmals
darüber zu sprechen. Es wird abgelehnt, ausser dem Genossen Müller
noch weitere Mitglieder hier zu belassen.8

Anmerkungen

1   Dokument (12 Seiten) überschrieben Protokoll der
Sitzungen der Stockholmer Delegation der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands, das Sitzungen am 4., 5., 6., 9., 11. und 13.6.1917
wiedergibt.

2   Die Datierung offensichtlich falsch. In diesem Protokoll ist
von "der morgigen Sitzung" im Komitee die Rede, wo Memorandum und
Kommuniqué besprochen werden sollten; die letzte Komiteesitzung mit der
MSPD fand am 13.6. statt, siehe Dok. Nr. P/34a-b. Im Tagebuch von David ist am
12.6. eine Sitzung der MSPD-Delegation um 17 Uhr genannt; siehe David 1966, S.
234.

3   Diskussion und u.a. Staunings Beitrag, in Dok. Nr. P/32b. Nach
Scheidemann 1921, S. 144, erfolgte die Betonung von Autonomie "auf Wunsch der
Genossin Bang". Siehe Dok. Nr. P/34a, Anm. 13.

4   Zum Pressekommuniqué über die Sitzungen am
11.-12.6. siehe Dok. Nr. P/34c und Diskussion in Dok. Nr. P/34a-34b.

5   Davids Rede siehe Nachweis in Dok. Nr. P/28a, Anm. 4.

6   Siehe Kommentar in Dok. Nr. P/27a, Anm. 1.

7   Die Delegation der USPD kam am 22.6.1917 nach Stockholm; die
Vorkonferenzen am 22. bis 25.6., siehe Dok. Nr. P/44a-c.

8   Nach Sassenbach und Legien, die am 13.6.1917 abreisten,
Abreise der übrigen Komiteemitglieder: am 16.6. Ebert, Fischer, Molkenbuhr
und Bauer; am 19.6. Scheidemann; am 21.6. David. Müller blieb bis zum
7.7.1917 in Stockholm und kam dann um den 20.8. nochmals zurück.