Sitzung des Holländisch-skandinavischen Komitees mit der flämischen Delegation, 12. Juli 1917

P/57
CHA, Stockholm, N. & C., Juli 1917:2. Hschr. (Arthur Engberg), 12 S.1

                       
                       
                       
             
             
12 julliet 17

Les Flamands

Le 12 juillet 17

   Troelstra: eröffnet die Sitzung.

   Joris: Bis 1890 sehen wir nie unter Vorwande d.[er]
franz.[ösischen] Sprache ausserpolit.[ische] Verhältn.[isse]
emporkommen. In Deutschl.[and] eine annexion.[istische] Strömung die da
meint dass dies das einzige ist sich gegen künft.[ige] Gefahr zu
schützen. Wir sind d.[er] Meinung dass wenn weder Deutschl.[and] noch
Frankr.[eich] keinen Einfl.[uß] da nahm so sind d.[ie] Gefahren d.[es]
Konfl.[ikts] vermindert.2 Innerhalb d.[es] belg.[ischen]
Staatsverb.[ands] sollen in dessen die beiden belg.[ischen] Nati[onen]
zusammenleben. Auch die Wallonen verlangen in hohem Grade eine Trennung. Wir
glauben dass dann erst recht d.[ie] oek.[onomische] Lage Belgiens verbessert
werden kann. Die Landwirtschaft, die Fischerei und das Kohlenbacken
[Kohlenbecken] berücksichtigen wir dabei. Die Landwirtschaft äusserst
rückständig, die Fischerei prim.[itiv] u.[nd] das Kohlenbäcken
[Kohlenbecken] nicht entwickelt. - Eine vollständ.[ige] administr.[ative]
Trennung soll entstehen und ein separates Parlament für die 2
Nationen.3 Wir sind nicht hier um d.[en] künftigen
belg.[ischen] Staat festzulegen.4 Aber die 2 Parlamente sollten
einen Ausdr.[uck] d.[es] belg.[ischen] Willens sein.

   Branting: Sind sie Vertreter einer
Org.[anisation] hier?

   Joris: Ja wir sind Vertreter der
Minderheit.5

   Huysmans: Ich nicht mit der Minderheit
einverst.[anden]. Was mich u[nd] Vandervelde trennt ist die Frage d.[es]
allg.[emeinen] Kongresses. Diese kleine Gruppe wovon d.[ie] Rede ist, ist eine
aktivistische Gruppe. Die grosse Frage ist: wie stellt man sich d.[ie]
Lösung vor? - Im Anfang war man ganz gegen Belg.[ien] gerichtet. Die
aktiv.[istische] Gruppe meint dass man von dem Ockupanten [Okkupanten] alles
verlangen soll was man erhalten kann. Die anderen weigern dies weil sie nicht
an d.[en] Sieg Deutschlands glauben. - Selbständigkeit der Kultur fordern
wir. Aber administrative Trennung sollte ein klerikales Flandern geben. Der
Einfl.[uß] von Frankreich nicht so gross. Die oek.[onomische] Frage von
Flandern auch nicht durch d.[ie] Trennung zu fördern. - Vandervelde
vertritt d.[ie] Mehrheit, ich stehe betr. d.[er] Friedensbew.[egung]
nicht auf Vanderveldes Standp.[unkt]6

   Joris: Ich bin auch überzeugt dass d.[ie]
Soz.[ialistische Bewegung] in den ersten Jahren nach d.[er] Trennung
keine7 Fortschr.[itte] werden [machen] wird aber sie wird es
später umso mehr tun. Die Soz.[ialistische] Bew.[egung]
herübergekommen aus dem Wallonenlande. Dass nicht unsere soz.[ialistische]
Denkweise durchdringen kann so schnell nach d.[er] Trennung, das glaube
ich.

   Trägt das Memorandum vor.8

   Troelstra: Muss sagen dass ich in vieler Hinsicht die
Tendenz ihres Wollen[s] teilt [teile]. Als Holländer habe ich
d.[en] Einfluss d.[der] flämischen Frage auf d.[ie] belg.[ische] Frage
bemerkt. Es sind auch in d.[en] flämischen Gegenden Parlamentairen die
sich jedoch nicht ganz auf d.[den] fläm.[ischen] nat.[ionalen]
Standp.[unkt] stellen können aus allgemeiner polit.[ischer]
Rücksicht. Wäre es also mögl.[ich] d.[ie] fläm.[ische]
Frage energischer zu verfechten nach diesem Kriege so wäre es gut. Wir
Holländer die unsere eigene Sprache haben entwick.[eln] können wir
fühlen wenn wir in [nach] Belg.[ien] kommen dass es deprimieren[d] ist
dass man seine nationale Eigenart nicht entwickeln kann. Es sind im
fläm.[ischen] Volke gesunde Keime zur fläm.[ischen] Kultur. Die
fläm.[ische] Litteratur kernig und gesund. In d.[ieser] Hinsicht kann ein
Interesse daran von Seiten d.[er] Internat.[ionale] nur gutgeheissen werden.
Ein Staatsverband wie in der Schweiz denkbar. In Brüssel muss man sich
doch fragen ob es nicht eine franz.[ösische] Stadt ist. - Es lässt
sich doch fragen ob die fläm.[ische] Frage eine internat.[ionale] Frage
ist. Ich habe keine Argumente von Wichtigkeit gehört. Das einz.[ige] was
Sie gesagt haben ist, dass der Friede nicht dauerhaft werden kann wenn die
fläm.[ische] Frage nicht gelöst wird. Um die annex.[ionistischen]
Ström.[ungen] in Deutschl[and] zu verhindern wollen Sie ein Belgien haben
das weder von Deutschl.[and] noch von Frankr.[eich] beeinflusst [wird].
Der Handel in Antwerpen hat doch sehr unter deutsch.[em] Einfluss gestanden.
Deutsch[e] Annexionen belg.[Belgien] betr. wurden [würden]
begründet durch die Trennung. Auch d.[ie] franz.[ösischen]
Forderungen würden grösser werden. Dies Argument, das Sie
vorgetr.[agen] haben, scheint mir deshalb nicht stark zu sein. In der Schweiz
hat sich der Staat aus den Kantonen gebildet. Ich lasse dahin gestellt, ob
nicht eine solche Staatsform ihre Schwierigkeiten hat.9 - Sie haben
schon den belgischen Staat. Er ist durch d.[en] Krieg furchtbar heimgesucht.
Und eben jetzt ist das nationale Bewusstsein erweckt. In einer solchen Zeit ist
die Aufwerfung dieser Streitfrage gefährlich.10 Für einen
internat.[ionalen] Kongress wäre dies schwierig und eine schwere
Verantwort.[ung] in diesem Augenbl.[ick] für diese Trennung zu arbeiten. -
Von der Entente wird es als feindl.[icher] Akt empfunden zugunsten
Deutschlands. - Wollen Sie wirkl.[ich] etwas tun wodurch Deutschl.[and] noch
grösseren Einfluss bekommt.11 - Die belg.[ische] Regierung
klipp und klar sagen sollen dass sie selbst eben das was die Deutschen den
Flamen vorspiegeln geben will.

   Huysmans: Die fläm.[ische] Frage wird durch die
wallonischen Arbeiter gelöst werden. Brüssel ist eine gemengte Stadt,
keine rein flämische Stadt. - Die Lage ist dass die R[r]eaktionären
Cliquen in Flandern selbst immer die Gesetze verhindert haben. Der Widerstand
kam nie von den Wallonen sondern immer von den reaktionären Kreisen
unter d.[en] Flamen selbst. Die Verbesserung muss von Belgien selbst, ihre[r]
Regierung gemacht werden.

   Troelstra: Meinen Sie dass der et[h]nogr.[afische]
Untersch.[ied] zw.[ischen] Flamen u.[und] Wallonen grosse Rolle spielt?

   Joris: Ja, sehr gross.12

   Huysmans: Es ist die Gefahr in Flamen [Flandern] dass
die Soz.[ialisten] wie eine Insel in der reakt.[ionären] Strömung
steht. Die bürg.[erliche] Demokratie hat da d.[ie] Soz.[ialisten]
mitgerissen.

   Unter 100 Mitgliedern im Parlamente werden höchstens 10
dafür eintreten. Die Scheidung sollte grössere Reaktion, einseitigere
Bauernpolitik u.s.w. bedeuten. Es ist die Gefahr dass die Flamen sich
kompromettieren.13

Anmerkungen

1   In CHA, Stockholm, N. & C., Juli 1917:2, auch hschr.
Notizen von Huysmans; Notizen von Troelstra, in IISG, NL Troelstra, 423;
Pressekommuniqué Dok. Nr. P/57a. Nach den Notizen von Huysmans waren
anwesend: Edward Joris und Frans Primo, Troelstra, Branting, Möller,
Söderberg, Engberg, Huysmans. Die Sitzung begann um 13 Uhr. - Zur Sitzung
weiter Huysmans an seine Frau, 13.7., auszugsweise in Geldolf 1996, S. 274;
Joris an Salomon Kok, 15.7.1917, übermittelt im Brief von Kok an
Troelstra, 16.7., sowie Troelstra an Kok, 18.7., in CHA, Stockholm, Corr., Juli
1917, Nr. 49, 54, 65. Siehe auch Interview mit Joris in Kopenhagen in dän.
Social-Demokraten 17.7.1917, S. 3; Antwort (dat. 23.7.) von Huysmans ebd.
26.7., S. 5, auch in De Belgische Socialist/Le Socialiste Belge 4.8.1917,
wiedergeben in Geldolf 1996, S. 274, Anm. 15, und Konzept der Antwort in CHA,
Stockholm, Corr., Juli 1917, Nr. 131; Veröffentlichung mitgeteilt in
Borgbjerg an Huysmans, 27.7.1917, ebd., Nr. 112. Huysmans protestierte u.a.
dagegen, daß Joris den Eindruck erweckt habe, das
Holländisch-skandinavische Komitee habe sich der Auffassung von Joris
angeschlossen. - Zur Sitzung und zur flämischen Delegation Claeys-Van
Haegendoren 1967/1, S. 103, und Claeys-Van Haegendoren 1967/2, S. 44f.;
Dolderer 1989, S. 197-200; Geldolf 1996, S. 271-275. - Die beiden
flämischen Delegierten Joris und Primo wurden von Antoon Jacob, Salomon
Kok und dem deutschen Journalisten Emil Charlet begleitet. Kok finanzierte die
Reise mit. Sie trafen nach einem Aufenthalt in Berlin und dann in Kopenhagen
(6.-7.7.) am 8.7. in Stockholm ein. Siehe Interview mit Joris in Kopenhagen in
dän. Social-Demokraten 7.7.1917, S. 1, und mit Joris und Primo in schwed.
Social-Demokraten 10.7., S. 1. Am 6.7.1917 meldete Joris aus Kopenhagen die
bevorstehende Ankunft in Stockholm an, und am 10.7.1917 besuchte er das
Büro des Holländisch-skandinavischen Komitees in Stockholm, um den
Zeitpunkt für die Besprechung zu erfahren, siehe Schreiben in CHA,
Stockholm, Corr., Juli 1917, Nr. 26 und Nr. 34.

2   Zum deutschen Interesse an der flämischen Delegation PA
AA, WK Nr. 2 c, Bd. 1, S. 136; Bd. 2, S. 57f.; Bd. 3, S. 6, 43f., 49f., 109f.,
123-126, 130f.; Bd. 4, 34, 51, 54f., 60, 68f., 87f., 110f.; Bd. 5, S. 102, 121,
163; Bd. 6, S. 41; dazu ausführlich Dolderer 1989, besonders Kap. 6 und 7.
- Zur Flamenfrage in der MSPD und besonders in der Internationalen
Korrespondenz (IK) sowie in der USPD siehe Dolderer 1989, S. 151-165 bzw. S.
144-151.

3   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans: "2)
par l'établissement séparation administrative", "5)
Séparation complète parlement séparé pour les 2
nations". In den Notizen von Troelstra, ebd.: "willen: geen duurz. vrede zonder
opl.[ossing] Vl-vraag, Conf: later na oorlog nog meer overheersch
[overheersing?] van Fransche zijde" [wollen: keinen dauerhaften Frieden ohne
Lösung der flämischen Frage. Konferenz: später nach dem Krieg
noch mehr Vorherrschaft der französischen Seite]; "administr. cult. en
polit. scheiding der naties binnen Belg. staatsverband" [administrative,
kulturelle und politischen Trennung der Nationen innerhalb des belgischen
Staatsvernades]; "ministerier gescheiden van elke natie aparte parlament
daarboven en gezamenl. orgaan" [die Ministerien getrennt, von jeder Nation
gesonderte Parlamente, darüber ein gemeinsames Organ].

4   Eine Andeutung wurde nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen
Notizen von Huysmans gegeben: "6) relations avec Etats petits d'Europe".
Nach den Notizen von Troelstra, ebd.: "Hangt samen med idee Europ.
statenbond
." [Hängt mit der Idee eines europäischen
Staatenbundes
zusammen].

5   Edward Joris hatte ein Mandat der Groep der
Minderheidssocialisten van Antwerpen, siehe Schreiben vom 27.6.1917, in CHA,
Stockholm, Corr., Juli 1917, Nr. 35. In seinem Interview in dän.
Social-Demokraten 7.7.1917, S. 1, betonte er, daß die BWP/POB und
besonders ihr Vorstand in Brüssel, der französisch gesinnt sei, an
der Friedenskonferenz nicht teilnehmen wolle, was er als falsche Stellungnahme
betrachte. Deshalb hätten die Sozialisten marxistischer Richtung in
Antwerpen Joris am 25.5. als Vertreter ausersehen. Frans Primo vertrat die
Minderheitssozialisten in Gent, hatte aber bei seiner Abreise noch keine
Vollmacht bekommen und nahm deshalb nur als Journalist teil, so in Interview in
schwed. Social-Demokraten 10.7.1917, S. 1. Die Beteiligung flämischer
Vertreter war durch Deutschland initiiert und teilweis auch finanziert worden.
Joris war ausersehen worden, weil er als Vorstandsmitglied der BWP/POB in
Antwerpen und wegen seiner "revolutionären Reputation" nicht so leicht
beschuldigt werden konnte, in deutschem Namen aufzutreten, so Geldolf 1996, ,
S. 272f. Über diese Mission sollte nach Dolderer 1989, S. 326, bis zuletzt
"strengstens Stillschweigen" gewahrt werden. - In den oben in Anm. 1
nachgewiesenen Notizen von Troelstra: "Vertegenw. minderheid Belg. arb. partij.
Groep niet aangesloten = in verbinding met activisten" [Vertreter der
Minderheit der Belgischen Arbeiterpartei. Gruppe nicht angeschlossen = in
Verbindung mit den Aktivisten]. Huysmans macht in seiner Antwort an Joris am
23.7.1917, nachgewiesen oben in Anm. 1, deutlich, daß dieser nur
ungefähr Dutzende von Sozialisten aus Flandern vertrete, die eine
aktivistische Politik, d.h. die Lösung der flämischen Frage mit Hilfe
der deutschen Regierung, befürworteten. - Zur Antwerpener Opposition
ausführlich Claeys-Van Haegendoren 1967/2; siehe auch Dolderer 1989, S.
192-202.

6   Nach den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Troelstra:
"tegen best. scheid.[ing] - bang voor klerik.
Vlaanderen" [gegen dauerhafte Trennung - Angst vor klerikalem Flandern].
In seinen Notizen, ebd., gibt Huysmans nur an: "legt verschil uit" [behandelt
die Unterschiede]. Ausführlich geht er nochmals auf diese Unterschiede in
seiner Antwort an Joris am 23.7.1917 ein, nachgewiesen oben in Anm. 1.

7   Hier endet die 5. Seite der Mitschrift von Engberg. Auf der
Rückseite dieser Seite hat Engberg folgende zwei Kommentare geschrieben:
"bakom det så kallade flötet" [hinter dem sog. Mond] und
"Smalspårig i hjärnan!" [schmalspuriges Gehirn].

8   Memorandum abgedruckt in Stockholm 1918, S. 344-347, "Note
d'une fraction minoritaire du Parti Ouvrier"; Internationale Korrespondenz (IK)
Nr. 42, 11.9.1917, S. 318f. Die wichtigten Punkte im Pressekommuniqué,
Dok. Nr. P/57a. Nach Geldolf 1996, S. 274, Anm. 14, "eine seltsame Mischung
verworrener und oftmals widersprüchlicher Beschaffenheit" ["een vreemde
mengeling van verwarde en dikwijls contradictorische aard"]. In dem oben
in Anm. 1 nachgewiesenen Brief an Kok am 15.7.1917 bat Joris um eine
telefonische Mitteilung mach Kopenhagen am folgenden Tag, um mitzuteilen, wie
die Veröffentlichung des Memorandums erfolgen solle. In seiner Antwort vom
18.7. bezeichnete Troelstra es als die beste Lösung, daß die
Delegation das Memorandum selbst veröffentliche, weil die
üblicherweise notwendige Besprechung mit dem Komitee wegen der Abreise von
Joris nicht mehr stattfinden könne. - Siehe auch die Stellungnahme der
Vlaamsch socialistisch arbeiders genootschap, Antwerpen, 12.5.1917 (auf
flämisch und auf deutsch), die auch Joris unterschrieben hat, in CHA,
Stockholm, N. & C., Mai 1917:1. Die Hauptforderung lautet: "Die einzige
Rettung des flämischen Volks liegt in der föderativen Gestaltung
Belgiens, mit Autonomie für Flandern und Wallonien" ("De eenige redding
voor het Vlaamsche volk ligt in de federatieve inrichting van Belgie, met
autonomie voor Vlaanderen en Wallonie"). Man appelliert an "das
ungeschwächte sozialistische Rechtsbewußtsein" ("de onverminderde
socialistische rechtsgevoelen"), besonders der Genossen in Polen, Finnland und
der Ukraine, die "auch das Unheil einer Fremdherrschaft gekannt haben und jetzt
ihre völlige Befreiung herannahen sehen" ("ook de onheilen gekend hebben
ener vreemde overheersching en thans hun algeheele bevrijding nabij zien").
Siehe auch Aufruf für den Frieden von Socialistische Jonge Wacht in Gent,
in CHA, Stockholm, Corr., Juni 1917, Nr. 9-10; abgedruckt in De Belgische
Socialist/Le Socialiste Belge 23.6.1917. Nach Geldolf 1996, S. 271, "ein
ziemlich wirres Dokument" ("een nogal verward document").

9   In einem Interview in Stockholms-Tidningen 11.7.1917 als
Antwort auf Interviews von Joris wies Huysmans eine schweizerische Lösung
zurück. Belgien sei "ein Industriestaat und kein Bauernstaat wie die
Schweiz" ["en industristat, icke en bondestat som Schweiz"]; eine
"Kantonisierung" Belgiens würde ernsthafte politische und wirtschaftliche
Folgen für Belgien mit sich bringen.

10   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans:
"Le sentiment national belge s'est développé et à ce
moment, division au moment tragique".

11   In den oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen von Huysmans:
"Une Flandre flamande sera une colonie allemande". - In seinem Interview in
dän. Social-Demokraten 17.7.1917, S. 3, gab Joris ausführlich den
ersten Teil von Troelstras Stellungnahme wieder und leitete daraus ab,
daß Troelstra seiner Position zugestimmt habe, nämlich "daß
wir, die wir uns zum Sprecher für die Lösung der flämischen
Sache machen, selbständig und rechtschaffen sind und nicht die
Geschäfte der Deutschen besorgen" ["at vi, der gør os til
Talesmænd for det flamske Spørgsmaals Løsning, er
selvstændige og rettænkende, at vi ikke gaar Tyskernes
Ærinde"]. In seiner oben in Anm. 1 nachgewiesenen Antwort an Joris 
am 23.7. wies Huysmans demgegenüber darauf hin, daß Troelstra die
Politik der flämischen Aktivisten nicht gutgeheißen, sondern deren
"Gefahren und Irrtümer" ("farer og Vildfarelser") hervorgehoben habe, und
daß er selbst nicht erklärt habe, die Stockholmer Konferenz
müsse eine für die Lösung der flämischen Frage
günstige Resolution verabschieden.

12   Dagegen hob Huysmans in seinem Interview in
Stockholms-Tidningen 11.7.1917 als Antwort auf Interviews von Joris hervor,
daß es im Grund nicht um Flamen und Wallonen gehe, sondern um den Kampf
"zwischen kapitalistisch gestützter Reaktion und Demokratie" ("mellan
kapitalistiskt stödd reaktion och demokrati").

13   Nach seinen oben in Anm. 1 nachgewiesenen Notizen hob
Huysmans nochmals "cultuurautonomie" hervor. Darauf verwies auch Joris in
seinem Interview in dän. Social-Demokraten 17.7.1917, S. 3. Huysmans habe
auch mitgeteilt, daß die belgische Regierung Vorbereitungen für eine
kulturelle Autonomie treffe und daß er aus diesem Grunde jetzt nach Hause
reisen müsse. Huysmans sei gegen eine politische und ökonomische
Autonomie. Dies bestätigte Huysmans in seiner oben in Anm. 1
nachgewiesenen Antwort an Joris am 23.7. - In seinem Interview in
Stockholms-Tidningen 11.7.1917, "De belgiska nationerna. Camille Huysmans
bemöter Joris" [Die belgischen Nationen. Camille Huysmans entgegnet
Joris], bezeichnete Huysmans Joris als "einen Idealisten reinen Herzens, keinen
praktischen Politiker" ("en renhjärtad idealist, men ingen praktisk
politiker"). "In der Theorie" ("i teorien") stimme er eigentlich mehr mit Joris
als mit der belgischen Regierung überein, aber nicht hinsichtlich der
Taktik und den Konsequenzen; dies übersehe Joris. - Zu Huysmans und der
flämischen Frage siehe Schmook 1971 ("Camille Huysmans,
internationalistisch flamigant in de staat Belgie"[Camille Huysmans,
internationalistischer Flame im Staate Belgien]).