Berlin/Germany
Vom 4. bis 7. Mai 2026 veranstaltet das Centre Marc Bloch gemeinsam mit der Universität Orléans den Workshop „Das Haus als lebendige Erinnerung: zwischen Kulturerbe und Migration“, der die Beziehung zu Häusern aus migrations- und erinnerungsgeschichtlicher Perspektive untersucht und sich an junge Forscher:innen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften richtet.
Das Haus als lebendige Erinnerung: zwischen Kulturerbe und Migration
Erinnerung und Erinnerungskultur gehören seit mehreren Jahrzenten zu den zentralen Forschungsgegenständen der Geschichtswissenschaft und angrenzender Disziplinen. Vor diesem Hintergrund hat der Umgang mit kolonialen Sammlungen in europäischen Museen neue und vielfältige Fragen aufgeworfen, die sich unmittelbar in Debatten über Kulturerbe und die Nutzungen der Vergangenheit einfügen. Parallel dazu gibt es seit vielen Jahren eine intensive wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der (Geschichte von) Migration. Diese beiden Themenfelder werden jedoch weitgehend unabhängig voneinander verhandelt.
Dabei gehören zur Migration immer auch die Räume, die zurückgelassen werden und Erinnerungen an diese, die mitgenommen und gepflegt werden. Und vor Ort entstehen neue Nutzungen, Aneignungen, Umdeutungen. So werden heute von der deutschsprachigen Minderheit zurückgelassene Häuser im rumänischen Banat und Siebenbürgen von Menschen vor Ort erhalten und die Erinnerung an ihre Bewohner gepflegt. Erinnerungen an verlassene und längst zerstörte Häuser im Westjordanland leben in den Hausschlüsseln, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, fort.
Der Workshop „Das Haus als lebendige Erinnerung“ untersucht diese Verflechtungen von Erbe, Migration und Erinnerung anhand der emotionalen Bindung an Häuser und der Geschichten, die sie erzählen und die über sie erzählt werden. Im Zentrum der Reflexion steht das Haus als Schnittstelle zwischen dem Intimen und dem Kollektiven, zwischen alltäglichen Praktiken und institutionellen Diskursen. Wie wird ein Wohnraum zum Kulturerbe? Welche Rolle spielen Erinnerung, Emotionen und persönliche Objekte bei der Weitergabe oder Neuerfindung der Vergangenheit? Wir widmen uns der Frage, wie diese ortsgebundene Erinnerung bewahrt wird, wie die Verbindung von Migrant:innen an ihre räumliche Umgebung erhalten und museal ausgestellt wird. Wo finden sich Spuren von Häusern und häuslichen Erinnerungen in Ausstellungen, Literatur, Fotographie und Filmen?
Durch einen dezidiert interdisziplinären Ansatz, der Geschichte, Geographie, Literaturwissenschaft, Soziologie, Ethnologie und Museumswissenschaft miteinander verbindet, möchten wir untersuchen, wie Migrationsbewegungen bewohnte Räume, ihre Wahrnehmungen und die Politiken der Patrimonialisierung verändern. Auf diese Weise ermöglicht der Workshop, verschiedene Forschungsfelder und Kontexte zu vergleichen, um die Vielfalt der Formen der Patrimonialisierung von Migration sichtbar zu machen – von geteiltem Kulturerbe über Wiederaneignungen und Aufgabe bis hin zur Spannung zwischen Bewahrung und neuen Nutzungen.
Gemeinsam mit den Teilnehmenden werden wir uns auf die Suche nach den Spuren der migrationsbezogenen Erinnerungskultur rund um das Haus und andere bewohnte Räume begeben. Das Programm umfasst verschiedene Formen der Annäherung an das Thema: von Ortserkundungen, über Museumsbesuche und theoretischen Reflexionselemente hin zu literarischer Verarbeitung. Berlin, reich an kulturellen und migrationsgeschichtlichen Schichten, dient als Laboratorium, um urbane Dynamiken der Patrimonialisierung und das Nebeneinander vielfältiger Erinnerungserzählungen zu erforschen. Ein topografischer Spaziergang durch ein Berliner Viertel, das von Einwanderung geprägt ist, bildet einen Ausgangspunkt für die gemeinsame Auseinandersetzung, ergänzt durch Besuche in Museen, die sich mit Migration beschäftigen.
Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, sich vor Ort mit Forschenden und Expert:innen auszutauschen, die zu Themen arbeiten wie der Patrimonialisierung von Wohnräumen, der Materialität von Migration oder „Phantomgrenzen“, die gelebte Räume neu strukturieren. Die disziplinäre und geografische Vielfalt der Gruppe wird einen fruchtbaren Dialog zwischen theoretischen Ansätzen und empirischen Erfahrungen ermöglichen.
Zwei methodische Module bieten Gelegenheit, neue Analysewerkzeuge zu erproben und die vergleichenden und reflexiven Kompetenzen der Teilnehmenden zu vertiefen.
Zielpublikum
Der viertägige Workshop richtet sich an Masterstudierende, Doktorand:innen und junge Postdocs, die sich für diese Fragen interessieren und aus den Geistes- und Sozialwissenschaften kommen. Ziel ist es unter anderem, den interdisziplinären Dialog zu fördern.
Ablauf des Workshops
Der Workshop bietet die Gelegenheit, das Kulturerbe und museale Darstellungen der Migration vor Ort kennenzulernen, sich produktiv auseinanderzusetzen und den Dialog mit Spezialist:innen und Forscher:innen zu ermöglichen.
Im Vorhinein wird ein Reader verteilt, der die gemeinsame theoretische und methodologische Basis für die Besichtigungen und Diskussionen bilden soll. Das Programm ist auf vier Tage angelegt und interaktiv, wechselt zwischen Besuchen und Analysen musealer Orte, Diskussionen, Methodenmodulen und selbstständiger Gruppenarbeit.
Hinweis: Vorbehaltlich der verfügbaren finanziellen und organisatorischen Mittel ist im Anschluss an den Workshop im September/Oktober 2026 eine Exkursion mit einem Teil der Teilnehmenden nach Sibiu/Hermannstadt und Umgebung (Rumänien) geplant.
Kommunikationssprachen sind Französisch und Deutsch.
Gute Kenntnisse in Französisch oder Deutsch werden vorausgesetzt, ebenso nach Möglichkeit ein ausreichendes Verständnis der jeweils anderen Sprache.
Die Teilnahme ist kostenlos. Reise- und Unterbringungskosten der Teilnehmer:innen werden übernommen.
Bewerbungsmodalitäten: Interessierte Personen werden gebeten, bis spätestens 15. Februar 2026 ein Motivationsschreiben mit der Begründung des Interesses an der Thematik und der disziplinären Verortung des/der Kandidat:in (max. 1 S.) sowie einen Lebenslauf (max. 2 S.) an folgende Adresse zu senden: cooperation@cmb.hu-berlin.de.
Eine Zusammenarbeit zwischen dem Centre Marc Bloch e.V., Berlin (Béatrice von Hirschhausen, Serge Reubi, Alix Winter) und der Forschungsgruppe POLEN, Université d’Orléans (Anne F. Delouis, Lucie Taïeb).