Von der Armenpflege zur Sozialpolitik in den Staedten vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

Call for Papers, deadline 15 April (German text)

Archiv der Hauptstadt Prag, Historisches Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und Fakultät der humanistischen Studien der Karls - Universität Prag 08.10.2013-09.10.2013, Prag, Clam-Gallas Palast, Husova Str. 20, Prag 1, Tschechische Republik
Deadline: 15.04.2013

Das Problem der Armut stellt ein aktuelles und dringliches Thema in der Gegenwart dar. Die geplante Tagung soll das Armenwesen und die Sozialfürsorge in Prag und in den Städten in Mitteleuropa fokussieren, seit den Aufklärungsreformen bis zur Zerrüttung des städtischen Sozialsystems in den böhmischen Ländern, die vom Nationalsozialismus verursacht wurden. Unser Interesse ist auch auf die ältere, vor allem frühneuzeitliche Periode gerichtet, wo man die Wurzeln der modernen Entwicklung der Sozialfürsorge suchen muss.

Die Grundfrage zielt darauf, was in den böhmischen Ländern symptomatisch für die Sozialproblematik in den Städten des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert war. Zuerst übernahm der österreichische Staat den Hauptteil der Armensorge aus den Händen der Kirche, der privaten karitativen Subjekten und der Städte in die eigene Staatsverwaltung. Allmählich gab er sie in die Kompetenz der Stadtverwaltung zurück. Die expandierende und in sich differenzierte Sozialfürsorge konnte man allerdings bereits im imperial erfolglosen Österreich (im Gegensatz zu Preußen) auf Staatsniveau finanziell und auch organisatorisch nicht mehr beherrschen. Die Städte - und hier stützt man auf das hervorragende Beispiel Prags - haben dieses Gebiet ihrer kommunalen Fürsorge und Verwaltung intensiv kultiviert und in der Zwischenkriegszeit dann trotz allen bedeutsamen Folgen der wirtschaftlichen Krise zur relativ höchsten Perfektion gebracht. Und wieder war es der Staat (konkret das nazistische Dritte Reich und danach der sozialistische Staat), der den Städten diese Agenda abgenommen hat, bzw. diese Amtsgeschäfte den Städten wieder in übertragener Zuständigkeit verliehen hat.

Zum Tagungsthema gehört aber auch die historische Betrachtung des Armenwesens, der Argumentationshintergrund der Schlüsselreformen und die internen, aber auch öffentlichen Diskussionen, die mit Reformen verbunden waren, weiter auch die institutionelle Gewährleistung der Schritte zur Lösung der zugespitzten Sozialprobleme in den Städten. Wir fragen also nach den Veränderungen in der Auffassung der Armen- bzw.
Sozialpolitik für das Stadtmilieu, das seit den sechziger Jahren des 19.
Jahrhunderts dramatisch und grundlegend durch Massenmigration und beschleunigte Urbanisierung verändert wurde. Weiter stellen wir die Frage nach der Bereitstellung einer organisatorischen, finanziellen und institutionellen Basis, die für die Bewältigung der sozialen (bzw.
sozial-gesundheitlichen) Probleme der Großstadtbevölkerung nötig war. Es geht dabei auch darum, die Koexistenz der staatlichen und kommunalen Einrichtungen und der wieder erneuerten Netze der kirchlichen und unterschiedlichen Vereins-, Almosen- bzw. Sozialinstitutionen, ebenso wie die Verbindung der öffentlichen und privaten Armenpflege zu verstehen.

Im Zentrum des Interesses stehen auch die Wahrnehmung der Armut in ihrer Entwicklung und ihre Fachreflexion. Ebenso gehören die literarische
(journalistische) und künstlerische Thematisierung und Reflexion der städtischen Armut sowie die Umbildung ihres Bildes in den Augen der breiteren Öffentlichkeit zum Fragenkomplex. Die Armut (einschließlich ihrer öffentlichen drastischsten Erscheinungsformen, aber auch des Impaktes des mental und zivilisatorisch spezifisch "modernen" Prekariats in die "kultivierten" und im Grunde "mittelständischen Schutzgebiete"
der Stadt) hat stets einen konstitutiven und auch funktionellen Bestandteil des Alltags in der Großstadt dargestellt. Zum Thema gehört auch die organisatorische und finanzielle "Beherrschung" und die unterschiedliche politische Instrumentalisierung der Sozialfrage in ihrer urbanen Konkretisierung, genauso wie sie zum permanenten Repertoire (nicht nur) der politischen Bühne gehörte.

Soll man die Entwicklung in Prag, die allgemein (d.h. mit dem Hintergrund der spezialisierten Anstalten) vom Almosenwesen zur allgemeinen Sozialversicherung tendierte, besser verstehen, ist es nötig, das Armenwesen und die Sozialpolitik in Prag mit anderen Beispielen zu vergleichen - mit den Städten in böhmischen Ländern, sowie in Österreich, bzw. Cisleithanien (Wien, Krakau) aber auch Transleithanien (Budapest, Bratislava), mit Berücksichtigung des breiteren europäischen Horizontes (vor allem Polen und Deutschland).

Wir bitten Interessenten, den geplanten Titel ihres Referats zusammen mit einem Abstract bis zum 15. April 2013 an die untenstehende Adresse einzureichen. Die Tagungsorganisatoren behalten sich vor, eine Auswahl unter den eingesandten Vorschlägen zu treffen. Die Referate werden vollständig in einem Konferenzsammelband der Documenta Pragensia veröffentlicht. Die Unterkunft der ausländischen Referenten in Prag wird von den Organisatoren übernommen. Es wird kein Tagungsbeitrag erhoben.
Offizielle Tagungssprachen sind Deutsch (bzw. Englisch) und Tschechisch mit Simultanübersetzung.

Im Namen der Organisatoren

PhDr. Olga Fejtová, PhD.
Prof. dr. Milan Hlavacka, CSc.
Doc. dr. Václav Ledvinka, CSc
Prof. dr. Jirí Pesek, CSc.

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Veronika Knotková
Archiv hl. mesta Prahy, Archivní 6, 149 00 Praha 4, Tschechische Republik
00420236004063
Veronika.Knotkova [at] praha.eu

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